Das Riemann-Integral berechnet man anhand von Zerlegungen des Definitionsbereichs einer Funktion in Intervalle, ohne bei den Unterteilungen den Graphen
der Funktion zu berücksichtigen. Dagegen wird beim Lebesgue-Integral zuerst der Bildbereich passend zum Funktionsgraphen in Intervalle unterteilt.
Die Urbildmengen dieser Intervalle zerlegen den Definitionsbereich im Unterschied zum Riemann-Integral nicht nur in Intervalle, sondern in maßgeschneiderte Mengen,
etwa in rationale und irrationale Zahlen.
Auf diese Weise sind natürlich mehr Funktionen integrierbar.
Der praktische Vorteil des Lebesgue-Integrals liegt vor allem darin, dass sich
Grenzwert und Integral unter schwächeren Voraussetzungen als beim Riemann-Integral vertauschen lassen. Die Werte beider Integrale stimmen aber überein, wenn eine
Funktion sowohl Riemann-integrierbar als auch Lebesgue-integrierbar ist.
Frage
Wie hängen Riemann- und Lebesgue-Integral zusammen?
Antwort
Jede eigentlich Riemann-integrierbare* Funktion ist Lebesgue-integrierbar und die Integralwerte stimmen überein. Die Umkehrung gilt nicht, wie etwa die Dirichletfunktion zeigt.
Der Zusammenhang zwischen dem uneigentlichen Riemann-Integral und dem Lebesgue-Integral ergibt sich wie folgt: Es sei I ⊂ IR ein beliebiges
Intervall und f: I → IR über jedes kompakte Teilintervall von I Riemann-integrierbar*.
Die Funktion f ist genau dann Lebesgue-integrierbar, wenn |f| uneigentlich Riemann-integrierbar über I ist. Die Werte beider Integrale stimmen dann überein.
*Eine beschränkte Funktion auf einem kompakten Intervall ist genau dann Riemann-integrierbar, wenn sie fast überall stetig ist (die Unstetigkeitsstellen
eine λ-Nullmenge bilden).
Anmerkungen
Eine beschränkte Funktion f: [a,b] →
IR ist also auf jeden Fall Riemann-integrierbar, wenn sie höchstens abzählbar viele Unstetigkeitsstellen hat.
Man kann anhand des Cantorschen Diskontinuums sogar eine Riemann-integrierbare Funktion mit überabzählbar vielen Unstetigkeitsstellen konstruieren.
Damit lässt sich auch zeigen, dass der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung nicht ohne weiteres auf das Lebesgue-Integral übertragbar ist.
Zum Schluss legen wir noch einmal kurz den prinzipiellen Unterschied zwischen dem Riemann- und dem Lebesgue-Integral dar:
Im Gegensatz zum Riemann-Integral kann der Definitionsbereich einer Funktion beim Lebesgue-Integral nicht nur in Intervalle, sondern in beliebige messbare Mengen zerlegt werden.